Die Erdmännchen im Tiergarten Nürnberg sind Besucherlieblinge: Ein bisschen possierlich, ein bisschen verwegen. Sie richten sich auf – und schwupps! – geraten wir gemäß dem Gesetz der Senkrechten in Verzückung.
Etwas scheint uns Menschen zu triggern, wenn Tiere sich – wie wir – in die Senkrechte begeben: Seien es Bären, die sich auf die Hintertatzen stellen, Pinguine, die über Felsen watscheln – oder eben aufmerksam wachende Erdmännchen.
Aber warten Sie, bis diese kleinen Carnivoren den Kopf eines Kükens knacken …
Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal eine Muräne zeichnen würde …
Laut einem Roman von Robert Harris trug Neros Lieblingsmuräne einen goldenen Ring. Ein Bild, das mich nicht losließ. Muränen waren zu Neros Zeiten Statussymbole, quasi die Koikarpfen der Römer.
Na, hoffentlich kommt niemand auf die Idee, dass Piercings bei den Kois eine gute Idee wären …
Bislang existiert die Muräne nur im Skizzenbuch, aber vielleicht schafft sie es aufgrund ihres schönen Schwunges noch ins große Büttenformat.
Im Tiergarten Nürnberg stand bei einem gigantischen Küken ein massiver Wandel des Erscheinungsbildes an: Das Andenkondorküken wechselte sein Gefieder.
Eine echte Herausforderung, was das Zeichnen betraf. Dieses Küken würde ich seit seinem Schlupf eher als skurril denn als niedlich bezeichnen. Ein runzliger, kahler Kopf, der im überbordenden Gewuschel des Körperflaumes manchmal erst auf den zweiten Blick zu erkennen war. Dazu drängten nun vermehrt glatte, glänzende Federn an die Oberfläche, die den pastoralen Charakter des erwachsenen Vogels bereits erahnen ließen.
Nachdem ich mich einen ganzen Nachmittag mit Bleistift und Aquarell abgemüht hatte, brachten letztlich zwanzig schnelle Minuten mit Tusche, Feder und Borstenpinsel den Durchbruch.
„Zwischen Flaum und Federn“ – Andenkondorküken aus dem Skizzenbuch Aquarell / Tusche Aquarellpapier, 200 g/m2 29 x 21 cm
Anlässlich der laufenden Ausstellung in der Egidienkirche in Nürnberg (siehe Beitrag „Besucher beäugen“) wurde ich gefragt, ob es noch andere Raben gäbe: Ja, gibt es! Mittlerweile bevölkern zahlreiche Raben Skizzenbücher, Büttenpapiere und Postkarten. Aber sie sind beileibe nicht alle guter Dinge, sondern müssen sich ab und zu das Ungemach von der Seele motzen.
„Beef!“ – aus der Raben-Serie Aquarell / Tusche Arches® Bütten, 300 g/m2 40 x 30 cm
Bereits im Januar 2019 trugen einige meiner Raben Maske. Die Idee bestand darin, oberflächlichen Humor mit historisch gewachsenem Unbehagen zu kombinieren und somit eine hübsche Vielschichtigkeit zu erreichen: Das Lachhafte, einen Vogel als Vogel zu maskieren, träfe auf das Bild des Pestdoktors sowie auf die mitteleuropäische Mär von Krähenvögeln als Boten des Todes und des Unglücks.
Im Jahr darauf änderte sich alles: Die Corona-Pandemie schwappte über den Globus. Plötzlich trug alles Maske: Statuen, Plüschtiere, Böhmermanns Triceratops im zdf magazin royal …
Als ich nun im Mai 2023 für eine Ausstellung ein paar Raben zusammenstellen durfte, stellte sich mir die Frage, ob mein maskierter Rabe eine gute Wahl wäre. Obwohl diese Arbeit meiner Ansicht nach zu meinen besten gerhört, entschied ich mich dagegen: Wie würden Betrachtende diesen Raben wahrnehmen? Vor dem Hintergund der Corona-Pandemie schien mir die „hübsche Vielschichtigkeit“ zu einem plumpen Gag zu schrumpfen.
Erste Umsetzung der Idee im Skizzenbuch – Januar 2019
„Corvus corona“ – aus der Raben-Serie Aquarell / Tusche Arches® Bütten, 300 g/m2 40 x 30 cm
Am Freitag, den 19. Mai 2023, eröffnet die Ausstellung „Locked out“ – curt.de/lockedout –, an der ich mit drei meiner schwarzen Gesellen beteiligt bin.
Die Auststellung findet in einer mächtigen Barock-Kirche in der Innenstadt Nürnbergs statt, die Raum genug für den größten meiner Raben bietet. Nun darf der „corvus curious“ sowohl Ausstellungsbesucher als auch Kirchgänger neugierig von seiner privilegierten Warte aus beobachten. Oder meint etwa jemand, es wäre andersherum?
„corvus curiosus“ – aus der Rabenserie Tusche Arches® Bütten, 300 g/m2 67 x 52,5 cm
„Im Bilde“ – aus der Raben-Serie Tusche Arches® Bütten, 300 g/m2 30 x 40 cm
Der erste Entwurf der diesjährigen Weihnachtskarte spielte noch mit der Idee, das Gemälde „Der Sündenfall“ von Lucas Cranach aufzugreifen: Eva reicht Adam eine Weihnachtskugel, im Hintergrund aufmerksam beobachtet von der Beraterschlange, die sich im Baume windet.
Tja, nicht schlange gefackelt … schnell verhauchte der leise Anflug von Konsumkritik und Antoine de Saint-Exupéry ließ grüßen. Besser ist das.
Natürlich käuflich: In der Museumsbuchhandlung Walther König im Neuen Museum in Nürnberg oder für 1,50 € pro Stück direkt bei mir.
Karte – „Schlannengrün“ 210 x 98 mm Karton 265 g/m2 Motivseite glänzend, UV-Lack beschichtet
Der Satzbandwurm … oder doch eine Blindtextschleiche?
Bedroht durch das Auftauchen invasiver Arten wie dem Twitterwesen ist der Satzbandwurm doch arg in Bedrängnis geraten. Nur in intellektuellen Habitaten findet er noch ausreichend Raum für seine komplexe Fortpflanzung.
Eine Verwechslungsmöglichkeit des Satzbandwurms besteht nur mit der Blindtextschleiche. Sie trägt jedoch die verbreitete Lorem-Ipsum-Textur auf dem Rücken.
Gleich nach dem Einstellen dieser Illustration auf Instagram wurden meine Albernheiten weitergesponnen: Es war von eitlen Tieren und Blicken in den Satzspiegel die Rede und jemand postete seinen Kommentar gar in Blindtext. Einfach herrlich!
Raben und Krähen, tiefschwarz und hochintelligent. Inzwischen sind es weit über 50 Stück, die sich in allen möglichen Situationen und Gemütszuständen auf meinen Papieren tummeln.
Manche dieser dunklen Gesellen sperren sich dagegen, porträtiert zu werden: Sie trotzen mit Tuscherotz. In solchen Fällen neige ich dazu, sie wüst zu beschimpfen – und glauben Sie mir, kein Rabe lässt sich gern als „dummes Huhn“ betiteln. Jetzt wird die Sache persönlich!
„Finsterling“ – aus der Raben-Serie Tusche Arches® Bütten, 300 g/m2 40 x 30 cm