Zwischen Flaum und Federn

Im Tiergarten Nürnberg stand bei einem gigantischen Küken ein massiver Wandel des Erscheinungsbildes an: Das Andenkondorküken wechselte sein Gefieder.

Eine echte Herausforderung, was das Zeichnen betraf. Dieses Küken würde ich seit seinem Schlupf eher als skurril denn als niedlich bezeichnen. Ein runzliger, kahler Kopf, der im überbordenden Gewuschel des Körperflaumes manchmal erst auf den zweiten Blick zu erkennen war. Dazu drängten nun vermehrt glatte, glänzende Federn an die Oberfläche, die den pastoralen Charakter des erwachsenen Vogels bereits erahnen ließen.

Nachdem ich mich einen ganzen Nachmittag mit Bleistift und Aquarell abgemüht hatte, brachten letztlich zwanzig schnelle Minuten mit Tusche, Feder und Borstenpinsel den Durchbruch.

Tuschezeichnung - Andenkondorküken

„Zwischen Flaum und Federn“ – Andenkondorküken aus dem Skizzenbuch
Aquarell / Tusche
Aquarellpapier, 200 g/m2
29 x 21 cm

Blau unterwegs

Ein Reiterstandbild. Seit Jahren gebunden an dieselbe Pose, den Blick beständig gen Norden. Zeit dies zu ändern.
Wenn sie von ihrem Ausritt zurückkommen, sehen Ross und Reiter vielleicht erstmals den Sonnenaufgang … und möglicherweise sind sie auf ihrem Heimritt noch blauer als üblich.

Die Original-Skulptur des Künstlers Johannes Brus „steht“ seit 1992 auf dem Andreij-Sacharow-Platz in der Altstadt von Nürnberg.

„Blau unterwegs“
Aquarell / Bleistift
Arches® Bütten, 300 g/m2
50 x 40 cm

(Das Beitragsbild zeigt eine 10 cm große Vorskizze.)

Von Sardinen schwärmen

Manchmal ist es besser, sein Essen erst zu verspeisen und dann die verbleibenden Reste zu zeichnen. Dies gilt vor allem dann, wenn große, runde Augen im Spiel sind, wie bei dieser gegrillten Sardine.

Lag es am Hunger oder daran, dass Fische keine Lobby haben? Jedenfalls betrachtete ich die Sardine zum Zeitpunkt der Mahlzeit nicht als Persönlichkeit. Diese erhielt sie erst während des Skizzierens.

Kennen Sie die Bücher von Lars, dem kleinen Eisbären? Alle Tiere in diesen Büchern können sprechen, nur nicht die Fische. Sie sind Futter, keine Freunde.

Reisegefährten

Lass uns doch die Artischocken
leise in den Kochtopf locken
.

Einen Kochtopf hat diese Artischocke nie gesehen. Wir „fanden“ sie auf einem Feld bei Roscoff und eine gute Woche lang begleitete sie uns auf unserer Fahrt durch die Bretagne.
Mehrfach gab ich in dieser Zeit den Hamlet und befragte die Artischocke: „Skizzieren oder nicht skizzieren, das ist hier die Frage!“ Aber eigentlich war es keine Frage.

Der botanische Name der Artischocke „cynara cardunculus“ verweist auf die Nymphe Cynara. Als diese sich dem Göttervater Zeus widersetzte, verwandelte er sie erbost in eine stachelige Distel.

Montagmorgen

Vielleicht hätte man am Sonntag daran denken können, dass montags die meisten Museen geschlossen haben – aber dazu hätte man sich des Sonntags bewusst sein müssen. Auf Reisen mit unserem alten VW-Bus verliere ich manchmal das Zeitgefühl.

So stand ich, bis auf die Gesellschaft der hölzernen Figuren, recht einsam vor dem Pförtnerhäuschen des Wallmuseums: Zeichnend in der Morgensonne, kalte Nordluft atmend, zufrieden.

Das Wallmuseum in Oldenburg in Holstein zeigt anhand von archäologischen Funden und rekonstruierten, frühmittelalterlichen Siedlungen die Geschichte der Slawen in Ostholstein. Direkt vor Ort befand sich ein Machtzentrum slawischer Herrschschaft: Starigrad.

Ungestüm

Reisetagebücher – die Bretagne weigerte sich lange und hartnäckig Platz zu nehmen. Die Zeichnungen waren zu wenig wüst, die Realität zu ungestüm.

Hier half es nur, Gleiches mit Gleichem zu vergelten: Den Stift beiseite zu lassen und zunächst die nassen Farben im Wind mit Verve aufs Papier zu klatschen. Nimm dies!
Aber so konturlos sollte mir die Landschaft nicht davonkommen – die Zeichnerin in mir forderte ein paar schnelle Tintenstriche …

Die Skizze der Heidelandschaft am Cap Sizun war die erste einer Reihe von Skizzen, in denen ich mit dem Farbauftrag begann und mit der Zeichnung endete. Eine Reise lang konnte ich nicht genug davon bekommen. Manchmal muss man eine Welle einfach reiten.



Tintlinge schöpfen

Diese kleine Gruppe von Schopftintlingen fand sich im Tennenloher Forst bei Erlangen. Sie schien genau das richtige Sujet zu sein, um eine neue japanische Zeichenfeder auszuprobieren.

Der Begriff Tintling lässt mich an Schriftstellerei und Zeichenkunst denken. Die Assoziationen sind inspirierend, aber beileibe nicht verklärend: Bei den Schopftintlingen handelt es sich um karnivore – nematophage – Pilze. Sie können kleine Fadenwürmer erbeuten und verdauen.

Caspar, David und Friedrich

„Caspar, David und Friedrich in Betrachtung des Mondes“, so der Titel dieser Zeichnung.

Was mag den dreien wohl durch die Köpfe gehen? Tauschen sie sich in romantischer Ironie über die Belastung aus, Bildmotive selbstbestimmt zu wählen?

Womöglich halten sie schlicht inne – versonnen im Mondlicht.

Tapir in Trance

Tapire sind wahre Genussferkel. Will man sie in ein ernsthaftes Dilemma stürzen, braucht man Tapire nur vor die Wahl zu stellen, gestreichelt oder gefüttert zu werden. Oft gewinnt das Streicheln: Schon nach wenigen Strichen legen sie sich hin und fallen förmlich in Trance.

„Genussferkel“ trifft es übrigens nicht ganz, da Tapire nicht zur Gattung der Schweine gehören. Weil man dies jedoch früher annahm, standen sie zumindest in islamisch geprägten Gegenden nicht auf dem Speiseplan. Schwein gehabt!

Das Beitragsbild zeigt den Prachtbuben Poroto im Tiergarten Nürnberg. Auch dessen 200 Kilo sanken widerstandslos zu Boden.